2.5 Mein Vater spielte eine wesentliche Rolle - Mutter des Friedens - Hak Ja Han Moon - Memoiren

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- Kapitel 2 - Ich kam als die eingeborene Tochter in diese Welt -



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Mein Vater spielte eine wesentliche Rolle


„Also von jetzt an solltest du die hier tragen, wenn du ausgehst“, sagte mir mein Großvater mütterlicherseits. Ich betrachtete das seltsame Schuhwerk und fragte: „Was ist das?“ „Man nennt sie Stöckelschuhe”, sagte er.


Während der japanischen Kolonialherrschaft in Korea waren westliche Moden wie Stöckelschuhe auf dem Land fast nie zu sehen. Mein Großvater, Hong Yu-il, war jedoch ein aufgeklärter Gentleman, der moderne Dinge begrüßte. Er war persönlich in die Stadt gegangen und hatte für alle Frauen in seiner Familie Stöckelschuhe gekauft. Er war groß, freundlich und gutaussehend und alle respektierten seine fortschrittliche Denkweise. Obwohl er in einem Haushalt mit strenger konfuzianischer Tradition aufgewachsen war, war er seiner Zeit voraus.

Als ich Vater Moon zum ersten Mal traf, dachte ich interessanterweise in meinem Herzen, dass er meinem Großvater ähnlich war. Das war ein Grund dafür, dass ich mich bereits bei der ersten Begegnung mit Vater Moon in seiner Gegenwart wohl fühlte, obwohl ich erst 13 Jahre alt war. Für mich war er kein Fremder.

Meine Großmutter mütterlicherseits, Jo Won-mo, war eine zierliche Frau mit schönen Gesichtszügen. Sie war eine gläubige Christin und außerdem fleißig und aktiv. Sie verdiente ihren Lebensunterhalt mit einem kleinen Geschäft, dem so genannten Pyong-an-Laden, in dem sie Nähmaschinen verkaufte und reparierte. Damals waren Nähmaschinen teuer und galten als der wichtigste Teil der Aussteuer einer Braut. Die Stadtbewohner bewunderten meine Großmutter dafür, dass sie den Familien der neuen Bräute große Rabatte gewährte und Zahlungspläne aufstellte, was damals noch unbekannt war. Großmutter ging von Dorf zu Dorf, um die monatlichen Zahlungen einzusammeln, und trug mich dabei auf ihrem Rücken. Auf diesen Ausflügen erlebte ich zum ersten Mal die weite Welt.

Die Familie meines Großvaters zog von Jeongju, der Heimatstadt meines Mannes, über den Fluss Cheongcheon in die Stadt Anju – genauer gesagt nach Shineui, einem Dorf in der Stadt Anju. Meine Mutter erbte den frommen Glauben von Großmutter Jo Won-mo. Bis zu ihrem 19. Lebensjahr besuchten sie die presbyterianische Kirche in Anju. Tatsächlich gab der Pastor dieser Kirche meiner Mutter ihren Namen, Hong Soon-ae. Sie besuchte die Anju-Grundschule und machte 1936 ihren Abschluss an einer christlichen Missionsschule namens Pyongyang Saints Academy.

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Meine Eltern heirateten am 5. März 1934 in der Neuen Jesus-Kirche, und ich, ihr erstes und einziges Kind, wurde 1943, neun Jahre später, geboren. Diese ungewöhnlich lange Zeitspanne verstrich nicht, weil meine Eltern unfruchtbar waren, sondern weil sie getrennt lebten, jeder in sein Glaubensleben vertieft. Dazu widmete sich mein Vater seiner Karriere als Lehrer. Er unterrichtete im Bezirk Yeon-baek in der Provinz Hwanghae, in einiger Entfernung von meinem mütterlichen Zuhause, und meine Mutter wollte nicht dorthin übersiedeln. Die intensive Hinwendung meiner Mutter zu Jesus führte dazu, dass sie ihre ganze Zeit und Aufmerksamkeit ihrer Kirchenarbeit widmete. Außerdem gab es noch einen anderen Grund. Meine Großeltern mütterlicherseits, die Hongs, wollten meinen Vater, Han Seung-un, zu ihrem Erben machen, was er aber nicht akzeptierte. Als dem ältesten Sohn der Familie Han erlaubten ihm seine Eltern nicht, seine Wurzeln im Haus seiner Ehefrau zu schlagen. Deshalb wollte sie nicht zu ihm ziehen und er nicht zu ihr. Aber Gott wollte, dass ich geboren werde, und so kam ich im Haus meiner Großeltern in Shineui-ri, Anju, zur Welt. Ich wuchs dort auf und nahm Gott ganz natürlich an.

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Als Korea 1945 seine Unabhängigkeit wiedererlangte, teilten die Großmächte unsere Halbinsel am 38. Breitengrad in zwei Teile. Bald darauf verwandelte sich die Freude darüber, dass wir unser Land zurückerhalten hatten, in Verzweiflung. Die Sowjets übertrugen der Kommunistischen Partei Koreas die Macht und diese praktizierte eine Politik der brutalen Unterdrückung. Ich war vier Jahre alt, als mein Vater plötzlich bei uns zuhause auftauchte und verkündete: „Die Bedingungen werden sich hier nicht bessern. Ich kann nicht zulassen, dass meine Familie in Nordkorea lebt. Lasst uns in den Süden gehen.“

Meine Mutter kam nicht umhin, über die unerwartete Bitte meines Vaters gründlich nachzudenken. Während sie für den einzigen Zweck gelebt hatte, den Herrn bei seiner Wiederkunft zu treffen, wusste sie nicht, was sie tun würde, wenn sie ihn tatsächlich träfe. Die Bitte ihres Mannes zerriss sie innerlich: „Wäre es besser, hier zu bleiben und den unbekannten Weg des Willens Gottes zu gehen? Oder soll ich mich dafür entscheiden, als gewöhnliche Hausfrau zu leben?“ Sie dachte über diese Dinge nach und fasste dann einen Entschluss: „Ich werde der kommunistischen Verfolgung nicht nachgeben. Ich werde hier bleiben und weiterhin den Weg des Glaubens gehen, um den Herrn zu empfangen.“ Mein Vater war sprachlos, aber er reiste ab, wie er es sich vorgenommen hatte.

Meine Mutter war nicht die einzige Person, die aus dem Glauben heraus, dass Jesus dort erscheinen würde, im Norden blieb. Pjöngjang wurde das „Jerusalem des Ostens“ genannt, denn das Christentum stand dort in voller Blüte. Es war ein heiliger Ort, an dem die Kirchen Vorbereitungen trafen, um den Messias bei seiner Wiederkunft zu empfangen. Während die etablierten Christen sagten, er würde auf den Wolken kommen, glaubten die vom Geist geführten Gruppen in Pjöngjang, dass er im Fleisch erscheinen würde. Auch meine Mutter und meine Großmutter waren vollständig davon überzeugt. Sie besuchten nun die Neue Jesus-Kirche, eine der leidenschaftlichsten Kirchen der Stadt. Meine Mutter beschloss, in Pjöngjang zu bleiben und ihre Mission als treues Mitglied einer Gemeinschaft, die sich auf den Empfang des Messias vorbereitete, fortzusetzen.

Obwohl mein Vater sein Bestes tat, um seine Pflichten als Ehemann und Vater zu erfüllen, kam es wegen Gottes Vorsehung schließlich zum Bruch unserer Familie. Als ich ihn beobachtete, wie er durch das Tor ging, dachte ich: „Das ist nicht das letzte Mal, dass ich meinen Vater sehe.“ Doch da irrte ich mich. Es war das letzte Mal, dass ich ihn sah.

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Abgesehen von der Zeit, als ich noch sehr jung war, lebte ich mein Leben ohne meinen Vater, Han Seung-un. Manchmal fragte ich mich, wo er war und was er tat, aber ich machte mich nie auf die Suche nach ihm. Das lag an den Worten, die ich von meiner Großmutter und meiner Mutter gehört hatte, seit ich ein kleines Mädchen war: „Dein Vater ist Gott.“ Ich wuchs in dem Wissen auf, dass diese Worte die unveränderliche Wahrheit sind. Da ich als Gottes Tochter geboren wurde, glaubte ich fest daran, dass Er mein wahrer Vater ist. Deshalb empfand ich keinen Schmerz über die Abreise meines Vaters.

Ich wurde seit meiner Empfängnis dahingehend geformt, die Wahre Mutter zu sein, die ihr Leben den Plänen Gottes widmet. Ich sehe alles aus dieser Perspektive – die japanische Kolonialherrschaft und den Koreakrieg, meine Kindheit voller Entbehrungen, meine Familie, bestehend aus meiner Großmutter mütterlicherseits und meiner Mutter, sowie die christliche Liebe, die uns Tag und Nacht umgab. Ich schätze diese Zeit als eine vom Himmel vorgesehene Periode des Wachstums. Letztendlich spielte mein Vater aber auch eine wesentliche Rolle.

Später erfuhr ich, dass mein Vater sein Leben in Südkorea der Bildung widmete, indem er über einen Zeitraum von 40 Jahren an mehr als 16 Schulen unterrichtete, bis er als Schuldirektor in den Ruhestand ging. Im Frühling 1978 wurde er friedlich in die Arme Gottes aufgenommen. Jahre später, als unsere Vereinigungsbewegung ihr internationales Hauptquartier am Cheongpyeong-See errichtete, erfuhr ich, dass mein Vater an der Miwon-Grundschule im Dorf Seorak, nur wenige Kilometer von unserem Komplex entfernt, unterrichtet hatte. Da ich jetzt an diesem Ort wohne, gehe ich davon aus, dass es Gottes Plan war, meinen Vater und mich am Ende zu vereinen.



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