Stellungnahme
der Vereinigungskirche e.V.
zum Endberichts der Enquete-Kommision
Juni 1998
Wie bereits früher durch die Beantwortung aller
Fragebogen der Enquete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen",
der Teilnahme bei der Anhörung durch die Enquete-Kommission und durch
den Kommentar zum Zwischenbericht geschehen, möchten wir uns auch
zu dem nun vorliegenden Endbericht im Sinne der Fortsetzung des bisherigen
Dialogs äußern. (Die Seitenangaben beziehen sich auf den Endbericht).
1.
Begrüßenswert
ist es, daß sich die Enquete-Kommission endgültig von dem negativ
besetzten Begriff "Sekte" verabschiedet hat (S. 154), wie
dies u.a. durch die Vereinigungskirche seit vielen Jahren immer wieder
gefordert wurde. Die Grundannahme, Menschen würden durch spezielle
Psychotechniken oder gar einer Gehirnwäsche zu Mitgliedern gemacht,
ist nach den Erkenntnissen der Enquete-Kommission aufzugeben.
2.
Bereits
bei der Beantwortung der von der Kommission vorgelegten Fragen hat
die Vereinigungskirche ausdrücklich darauf hingewiesen, daß für die
religiöse Erziehung der Kinder allein die Eltern verantwortlich sind.
Insofern begrüßen wir es, daß die Enquete-Kommission das Elternrecht
der religiösen Erziehung betont (S. 148). Sie empfiehlt weiterhin,
den Artikel 4 Grundgesetz weder zu ändern noch zu ergänzen (S. 150).
Dem stimmt die Vereinigungskirche ausdrücklich zu. Ebenso der Schlußfolgerung,
daß das vorhandene rechtliche Instrumentarium bei tatsächlichen Konfliktfällen
ausreicht.
3.
Was
die Vereinigungskirche anbetrifft, bestätigt die Kommission, daß neue
religiöse Gemeinschaften zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Gefahr
für Staat und Gesellschaft oder tragende gesellschaftliche Bereiche
darstellen (S. 149). Weder in Vergangenheit noch Gegenwart ging oder
geht irgendeine Gefährdung der Gesellschaft von Seiten der Vereinigungskirche
aus.
4.
Wir
halten - wie bisher - weitere unabhängige (!), wissenschaftliche Forschungsarbeiten
für notwendig. Ob dies hingegen ausgerechnet durch eine (auf S. 150
empfohlene) von Bund und Ländern mitfinanzierte und bestellte Bundesstiftung
geleistet werden kann, ist fraglich. Nach dem Wortlaut des Endberichts
überwiegt anscheinend nach wie vor die Absicht, die Ausstiegsberatung
(S. 143) zu verstärken. Auch die "Verknüpfung der Länder und
des Bundes" (S. 143) spricht nicht für eine staatsferne, unabhängige
Stiftung. Die "Notwendigkeit
einer gemeinsamen Herangehensweise" von Bund und Ländern wird
nicht begründet und ist umso mehr unverständlich, da zur Zeit - wie
die Enquete-Kommission selbst eindeutig festgestellt hat - keine allgemeine
Gefährdung von den angesprochenen Gruppen ausgeht. Verräterisch ist
schon das an erster Stelle genannte Aufgabenfeld der Stiftung (S.
144): "Schaffung eines
inhaltlich und finanziell qualifizierten Rahmens für die mit der Thematik
befaßten Beratungsstellen". Sollen hier durch die Hintertüre
bereits ergangene Gerichtsurteile umgangen oder ausgehebelt werden,
die es dem Staat untersagt haben, private Beratungsstellen zu finanzieren
(s. sogenanntes Osho-Urteil des BverwGE vom 27.3.92, s. Endbericht
S. 61)? Außerdem kritisiert der Endbericht in diesem Zusammenhang
sogar selbst, daß "Beratung" bisher hauptsächlich als Ausstiegs-
und Anti-Sektenberatung durchgeführt wurde (s. S. 160).
5.
Unverständlich
erscheint uns weiterhin die Empfehlung, daß Bundesverwaltungsamt (BVA),
genauer mit dem 1993 eingerichteten Fachreferat "Jugendsekten
und Psychogruppen" (S. 61), mit weiteren Kompetenzen auszustatten.
Was hat dieser Vorschlag der Kommission mit einer angeblich unabhängigen
Stiftung zu tun? Offensichtlich hat die Kommission auch die Stellungnahme
der Vereinigungskirche zu der von eben diesem Amt produzierten Broschüre
"Sogenannte Sekten und Psychogruppen – „Die Mun-Bewegung"
nicht gelesen. Dabei hat die Vereinigungskirche in ihrer Broschüre
„Staatliche Diskriminierung einer religiösen Minderheit“ detailliert
nachgewiesen, daß in der Publikation des BVA eine Vielzahl falscher
Behauptungen, grober Unwahrheiten, verzerrter Darstellungen und unzulässiger
Wertungen enthält, welche die Vereinigungskirche in höchstem Maße
diskreditiert hat. Es ist geradezu unerträglich, wenn solch einer
fachlich offensichtlich nicht qualifizierten und an sachlichem Dialog
desinteressierten Stelle jetzt noch mehr Kompetenzen zugetragen werden
sollen, wie die Kommission auf S. 151f empfiehlt.
6.
Wir
bedauern, daß es keinerlei Möglichkeit bzw. Gelegenheit zu einer weiteren
Stellungnahme gab, bevor der Abschlußbericht veröffentlicht wurde
- obwohl wir unsere Dialogbereitschaft unter Beweis gestellt haben.
7.
Obwohl
die zweijährigen Untersuchungen ergeben haben, daß keinerlei generelle
Gefahr durch neue religiöse Bewegungen besteht, gehen die Handlungsempfehlungen
der Kommission größtenteils von einer diffusen "Gefahrenlage",
von scheinbar mannigfachen "Konfliktlagen" und "Konfliktfeldern"
aus.
8.
Durch
unklare, vage und verallgemeinernde Formulierungen leistet der Endbericht
der Festigung alter bzw. Bildung neuer Pauschalurteile Vorschub. Ein
typisches Beispiel dafür findet sich auf S. 149, 3. Abschnitt. "Nur
ein Teil der neuen religiösen ... Gemeinschaften ... ist massiv konfliktträchtig."
Wer soll da ganz konkret gemeint sein? Verdächtig ist nun wieder jede
Gruppe. Man kann ja nie wissen. Genau
diese Gefahr wollte die Enquete-Kommission aber auf S. 34 durch den
Verzicht auf Sammelberichte und auf S. 35f
noch vermieden wissen. "Ferner besteht zum anderen die
Gefahr unzulässiger Verallgemeinerung. Es werden dann entweder die
konfliktträchtigsten und organisatorisch entwickelsten Gruppen zum
Modell und Paradigma gemacht oder konfliktträchtige Merkmale in Strukturen,
Aktivitäten und Zielen additiv beschrieben und dabei der Eindruck
erweckt, die so erzielte Summe von Negativmerkmalen treffe alle Gruppen
und alle in gleicher Weise." Hier zeigt sich eine deutliche Diskrepanz
zwischen den Untersuchungsergebnissen einerseits und den Handlungsempfehlungen
andererseits.
9.
Dem
selbstgestellten Auftrag, eine "ausgewogene Beurteilung" zum Thema Kinder und Jugendliche in neuen religiösen
Gemeinschaften zu finden (S. 15), ist die Enquete-Kommission im Abschnitt
5.2.4 - Zur Situation von Kindern und Jugendlichen in neuen religiösen
Bewegungen und Gruppen, speziell im Abs. 5.2.4.1 über die Vereinigungskirche
- nicht gerecht geworden. Die von der Vereinigungskirche zum Zwischenbericht
eingereichten Einwände und Richtigstellungen - gerade zum Themenbereich
Ehe, Familie, Kinder und Jugendliche (s. Kommentar der Vereinigungskirche
zum Zwischenbericht der Enquete-Kommission) - wurden offensichtlich
überhaupt nicht zur Kenntnis genommen. Man kann nicht von einem Dialog
sprechen, wie ihn die Enquete-Kommission selbst auf S. 15 fordert,
wenn sachlich begründete Einwände und Richtigstellungen nicht berücksichtigt
werden. Anders ist es wohl nicht zu erklären, daß sich im Endbericht
beim Thema Ehe, Familie, Kinder und Jugendliche genau die gleichen
haarsträubenden sachlichen Fehler finden wie im Zwischenbericht. Bedauerlicherweise
hat sich die Kommission hier - entgegen ihren eigenen Erkenntnissen
(S. 148f) - nicht vor Pauschalurteilen gehütet.
Im folgenden soll auf den Abschnitt
5.2.4 - Zur Situation von Kindern und Jugendlichen in neuen religiösen
Bewegungen und Gruppen, speziell im Abs. 5.2.4.1 über die Vereinigungskirche
genauer eingegangen werden.
Obwohl
der Endbericht davon ausgeht, daß "jede Beurteilung über die
Kindererziehung in neuen religiösen Bewegungen immer nur eine Momentaufnahme
aus einer prozeßhaften Entwicklung" darstellt und "somit
für Veränderungen offen gehalten werden" muß (S. 84), wird zum
Thema Ehe, Familie, Kinder und Jugendliche in der Vereinigungskirche
wenige Zeilen später ein verheerendes Zerrbild präsentiert.
1. Zum Verständnis von Ehe und Familie
Nach
Auffassung der Vereinigungskirche ist die Ehe keine menschliche Erfindung
und kein Ergebnis sozialer Notwendigkeit, sondern sie ist in Gott
begründet. Gott ist vor allem ein Gott des Herzens, ein Gott elterlicher
Liebe. Menschen sind, wie es in der Bibel heißt, als Mann und Frau
zum Ebenbild Gottes geschaffen und tragen somit das göttliche Potential
an Liebesfähigkeit in sich, das in der liebenden Beziehung von Mann
und Frau und in der vollendeten Elternschaft die höchste Ausdrucksform
findet.
Die
Familie ist die Schule der Liebe. In ihr lernen wir die verschiedenen
Erscheinungsformen der Liebe: als Kind, Bruder, Schwester, Mann oder
Frau und als Eltern. Von unserem Lernerfolg in dieser Schule hängt
es weitgehend ab, wie wir unsere Rolle als Bürger in unserer Gesellschaft
und Nation erfüllen und welche Beziehungen wir zu den anderen Mitgliedern
der Weltfamilie aufbauen.
Die
Familie stellt somit die Keimzelle der vollkommenen, von Gott gewollten
Welt dar. Wahre Liebe kann am besten in einer Familie realisiert werden,
in der Gottes Liebe wohnt. Daher sollen die Beziehungen von Mann und
Frau, Eltern und Kindern sowie Brüdern und Schwestern von erfüllter
und dauerhafter Liebe geprägt sein.
Nach der Vereinigungstheologie
hat sich der Mensch
durch den Sündenfall von Gott und Seiner Liebe getrennt. Diese Trennung hat sich bis heute leidvoll ausgewirkt.
Rev. Moon und
seine Frau Hak Ja Han sehen ihre Berufung darin, den Fehler der Ureltern
der Menschheit wiedergutzumachen und als Begründer der „wahren Familie“,
d. h. der auf Gott ausgerichteten Familie, zu dienen und ein Beispiel
für „wahre Elternschaft“ zu zeigen.
Die Kinder der von Rev. und Frau Moon „gesegneten Paare“ werden „gesegnete
Kinder“ des „gesegneten Paares“ und nicht
etwa „wahre Kinder“ der „Wahren Eltern“ genannt. Sie gelten nicht
als Kinder des Ehepaares Moon. Die Vereinigungstheologie geht davon
aus, daß die natürliche Familie einer „wahren“, d. h. auf Gott ausgerichteten
Familie entsprechen sollte. Es geht also um ein Sakrament, das die
natürliche Familie heiligt und ihr somit Stärke und Stabilität verleiht.
Viele Mitglieder
der Vereinigungskirche betrachten es als ein großes Privileg, einen
Vorschlag für ihren Partner von Rev. Moon zu erhalten (sogenanntes
„Matching“). Wie in dem Endbericht richtigerweise erwähnt (S. 85),
steht es jedem frei, diesen Vorschlag anzunehmen oder abzulehnen.
Durch die Segnung begibt sich jedes Paar auf seinen eigenen Weg, selbst
zu wahren Eltern zu werden und wahre Familien zu errichten, die Gottes
Ideal wahrer Liebe in der Familie manifestieren.
Bei der Segnung
im Jahre 1992 nahmen zum ersten Mal auch Angehörige anderer Religionen
teil. Im August 1995 - Segnung von 360.000 Paare - erhielten nur noch
ca. 10% der Paare von Rev. Moon einen Partnervorschlag. Etwa 90% der
Teilnehmer waren bereits verheiratete Paare, darunter ein Großteil
aus anderen Religionen. Es wurde und wird nicht erwartet, daß sie
ihr Religionsbekenntnis wechseln.
Seit Anfang
1997 werden Geistliche anderer Kirchen und Religionen eingeladen,
zuerst selbst an einer Segnung teilzunehmen. Anschließend können sie
in ihren Gemeinden Segnungszeremonien durchführen. Von dieser Möglichkeit
ist inzwischen bereits in zahlreichen Fällen Gebrauch gemacht worden.
Es ist unrichtig
und irreführend, wenn auf S. 85 des Endberichts - wie auch schon auf
S. 98 des Zwischenberichts - behauptet wird, die Paare würden durch
die Segnung „adoptiert“ und zu Kindern der „wahren Familie“. Der Begriff
„Adoption“ wird in der Vereinigungstheologie in diesem Zusammenhang
nicht gebraucht und ist nicht geeignet, das Sakrament der Segnung
zu erklären (s.o.). Die Erlösung zu einer Kindschaft Gottes, nicht
- wie fälschlich angeführt - in ein "Kindschaftsverhältnis"
gegenüber der "wahren Familie", bringt eine hohe Eigenverantwortlichkeit
mit sich und nicht eine Zurückversetzung „in den Status von Kindern“
(S. 85). Von einer auch nur tendenziellen Entwertung der Eltern als
„Identifikationsfiguren“ (S. 85) kann daher überhaupt nicht die Rede
sein. Das Gegenteil ist der Fall.
Irreführend
ist der Endbericht, wie bereits der Zwischenbericht, auch durch die
Wahl einiger Begriffe: Die termini „Totengeister“, „Zwischenreich“
(mit Sammelanmerkung 9 ohne jegliche Seitenangabe) und „Eva-satanische
Linie“ sind z.B. in der Vereinigungskirche völlig ungebräuchlich und
daher zur Beschreibung von Positionen der Vereinigungskirche ungeeignet.
Aus den Belegstellen geht nicht hervor, woher die Autoren diese Begriffe
entnommen haben. Der Ausdruck „sünd(en)lose Kinder“ muß erläutert
werden: korrekterweise müßte es heißen, daß die Kinder ohne „ursprüngliche
Sünde“ geboren werden.
Wie schon im
Zwischenbericht, wird auch im Endbericht „eine Art Endkampf“ oder
„Dritte(r) Weltkrieg“ beschworen. Wer sich die kleine Mühe macht und
in den Göttlichen Prinzipien auf S. 529f nachliest, wird feststellen,
daß es sich bei den betreffenden Aussagen um Teile einer Geschichtsinterpretation
handelt. Bereits in den 50er Jahren hat die Vereinigungskirche davor
gewarnt, daß es zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen
dem kommunistischen Block und der freien Welt kommen könnte, wenn
der Konflikt nicht auf geistigem Gebiet gelöst würde. Daraus abzuleiten,
das Ziel der Vereinigungskirche sei „die umfassende Durchsetzung dieses
Himmlischen Königreiches auf Erden durch eine Art Endkampf oder ´Dritten
Weltkrieg`“ (S. 85), ist völlig absurd.
2. Kinder und Jugendliche in der Vereinigungskirche
Bei der Beantwortung
des ersten Fragenkatalogs vom 5. Januar 1997 wurde ausgeführt, daß
für die Vereinigungskirche Erziehung und Bildung höchste Bedeutung
für die Entwicklung des Menschen haben. Neben der Vermittlung von
intellektuellem Wissen wird dabei auf eine ausgewogene emotionale
und seelisch-geistige Entwicklung Wert gelegt werden. Die Verantwortung
dafür liegt in der Hand der Eltern. Insofern kann von einer wie auch
immer gearteten "tendenzielle(n) Entwertung der Eltern als eigenveranwortliche
Identifaktionsfiguren für die Kinder“ - wie fälschlich im Endbericht
S. 85 behauptet wird - keine Rede sein. Mehr noch: Die Kinder der
Mitglieder der Vereinigungskirche sind im Erziehungssystem der Gesellschaft
integriert. Sie gehen in kirchliche, kommunale oder private Kindergärten,
sie nehmen in der Schule meist am katholischen oder evangelischen
Religionsunterricht teil und beteiligen sich an den gesellschaftlichen
Ereignissen, wie Geburtstage, Schulfeste etc. Die Entscheidung über
die Teilnahme liegt allein bei den Eltern und Kindern, bzw. bei den
Jugendlichen. Auch der Vorwurf der „Orientierung auf eine unumstößliche
Autorität“ (S. 85, wie schon im Zwischenbericht S. 98) entbehrt jeglicher
Grundlage.
Ohne jeglichen
Beleg wird behauptet, daß es sich bei der Adoption von Kindern um
eine "immer wieder vorkommende Praxis" handele (S. 85). Bei diesem Punkt ist vorab klarzustellen, daß
weder Rev. Moon noch die Vereinigungskirche die Mitglieder dazu animieren
oder gar drängen, Kinder zur Adoption freizugeben bzw. zu adoptieren!
Wenn es in Einzelfällen zu einer Adoption kommt, hängt dies völlig von
der Initiative der beteiligten Paare ab, die dementsprechend auch
die Verantwortung dafür übernehmen. Vom Vorstand der Vereinigungskirche
gehen keinerlei Anweisungen aus, da dies eine persönliche Angelegenheit
der jeweiligen Paare ist. Im übrigen muß eine Adoption selbstverständlich
unter Beachtung der gesetzlichen Regelungen erfolgen.
Es ist eine
bösartige Unterstellung, die Möglichkeit einer Adoption mit einer
"tendenzielle(n) Entwertung" der Eltern in Zusammenhang
zu bringen, was zudem völlig der Lehre der Vereinigungskirche widersprechen
würde.
Bereits im ersten
Abschnitt (s.o.) wurde erläutert, welch zentraler Bedeutung der Familie
und der „unauswechselbaren, emotionalen Eltern-Kind-Beziehung“ zukommt
(S. 85). Dazu wurde nicht eine einzige Familie in der Vereinigungskirche
befragt oder untersucht. Die als Beleg angeführten Quellen - Reller,
Schöll, Eimuth - haben scheinbar nie ein Kind der Vereinigungskirche
zu Gesicht bekommen.
Daß in der Vereinigungskirche
Elternschaft vor kirchlicher Leiterschaft geht, zeigt sich z.B. auch
darin, daß die mit der Taufe vergleichbare Acht-Tage-Zeremonie nur
durch die jeweiligen Eltern erfolgen kann - nicht durch einen Kirchenleiter
und auch nicht durch Rev. Moon.
Es ist einer
der zentralen Grundgedanken der Lehre der Vereinigungskirche, daß
der Mensch von Gott mit drei großen Segen ausgestattet wurde (Gen
1,28), wobei der zweite den Auftrag meint, eine auf Gott ausgerichtete
Familie aufzubauen. In dem Buch „Die Segnung und das Ideal der Familie“
betont dies Rev. Moon: „Der Himmel beginnt nicht mit der Kirche, sondern
mit der Familie“. An anderer Stelle heißt es: „Die gegenseitige Liebe
allein berechtigt ein Ehepaar nicht dazu, in das Reich Gottes einzugehen.
Erst wenn dieses Paar zu seinen Eltern und Kindern eine so tiefe Liebe
hegt wie zu Gott, hat es das Recht, das Reich Gottes zu betreten“
(Ein Prophet spricht heute, Die Worte des Rev. San Myung Mun, Frankfurt
1976, S. 69).
3. Ein
Wort zu den Quellen
Die Enquete-Kommission
hatte sich als Ziel gesetzt, zu sachlichen Informationen und objektive
Ergebnissen zu gelangen. Im Abschnitt über die Vereinigungskirche
(S. 85) werden Quellen bemüht, die diesem Anspruch nicht gerecht werden.
Zum Thema Ehe und Familie bzw. Kinder und Jugendliche können die angeführten
Publikationen schlichtweg nichts beitragen.
1.
Das
nicht mehr aktuelle Handbuch
Religiöse Gemeinschaften behandelt das Thema Kinder und Jugendliche
in der Vereinigungskirche nicht und kommt deshalb als verläßliche
Quelle zu diesem Thema überhaupt nicht in Frage. Die Enquete-Kommission
beruft sich zudem in ihren Aussagen zum "Gelöbnis" auf dieses
Handbuch ohne zu bemerken, daß der dort abgedruckte Text bereits seit
dem 1. Mai 1994 durch das neue „Familiengelöbnis“ ersetzt worden ist.
Darauf hatten wir bereits in mehreren Schriften an die Enquete-Kommission
hingewiesen.
2.
Das
Buch von K.-H. Eimuth macht
einen Versuch, sich mit dem relativ neuen Thema „Kinder in Neuen Religiösen
Bewegungen“ zu beschäftigen. Dabei wird auf gewisse diffamierende
Begriffe früherer Abhandlungen weitgehend verzichtet. Es werden auch
neuere Originalquellen, wie das neue Familiengelöbnis, verarbeitet.
Der Autor kann sich jedoch auf keinerlei empirische Daten stützen,
da er keine Jugendlichen oder Kinder der Vereinigungskirche befragt
hat und auch nicht auf eine ähnliche Untersuchung zurückgreifen konnte.
Tatsächlich befaßt sich - trotz des reißerischen Titels „Die Sekten-Kinder“
- nur ein verschwindend geringer Teil des Kapitels über die Vereinigungskirche
mit der religiösen Erziehung und dem Lebensumfeld der Kinder und Jugendlichen.
Seine persönlichen Vermutungen und Schlußfolgerungen haben wenig mit
der Realität zu tun.
3.
Das
Buch von Schöll beruht
offenbar vor allem auf einem Interview aus dem Jahre 1984 mit vier
deutschen bzw. österreichischen Mitgliedern der Vereinigungskirche
im Alter von 25 - 29 Jahren. Schöll stützt sich also auf eine äußerst
schmale - inzwischen 13 Jahre alte - empirische Erhebung, die keinesfalls
als „gesicherte Informationen der neuen Entwicklung“ bezeichnet werden
kann. Bereits bei Erscheinen des Buches im Jahre 1992 war im übrigen
auch anhand der tatsächlichen Entwicklung der Vereinigungskirche in
Deutschland klar erkennbar, daß der Autor in entscheidenden Punkten
völlig daneben liegt.
Schölls Beobachtungen
sind lediglich eine Momentaufnahme der speziellen Situation einiger
Mitglieder, die bereits damals nicht typisch für die gesamte Vereinigungskirche
war. Festzuhalten ist, daß er Familien und Kinder von Vereinigungskirche-Mitgliedern
nicht erlebt hat. Es ist nicht verwunderlich, daß seine Vermutungen
von der Realität meilenweit entfernt sind. Für fundierte Aussagen
über die Situation von Familien und Kindern in der Vereinigungskirche
kann diese Publikation nicht herangezogen werden.
Schlußwort
Die Enquete-Kommission
gibt selbst zu, „daß empirische Analysen des realen pädagogischen
Umgangs mit Kindern und Jugendlichen fehlen“ (S. 84). Ein diesbezügliches
Gutachten über die Vereinigungskirche wurde von der Kommission nicht
in Auftrag gegeben.
Die als Beleg
für die Aussagen über die Vereinigungskirche angeführten Quellen -
Handbuch, A.Schöll und Kehrer - gehen auf das Thema Kinder und Jugendliche
überhaupt nicht ein. Bei Eimuth wurden keinerlei empirische Daten
erhoben. Bei Kehrer (1981) war dieses Thema noch nicht aktuell. Kehrer
wird zwar angeführt, aber inhaltlich im Endbericht praktisch nicht
verwendet. Außerdem steht das Bild, das er von der Vereinigungskirche
zeichnet, in vielen Punkten mit dem im Widerspruch, was im Endbericht
über die Vereinigungskirche ausgesagt wird.
Die im Endbericht
geäußerten Vermutungen und Verdächtigungen bezüglich Kinder und Jugendlichen
in der Vereinigungskirche beruhen nicht auf empirisch erhobenen Daten.
Immer wenn es um die Vereinigungskirche ging, wurden weder die Primärquellen
noch das Selbstverständnis der Vereinigungskirche beachtet, noch wurden
bereits vorliegende z.B. religionswissenschaftliche und sozialwissenschaftliche
Untersuchungen herangezogen.
Auch empirische
Daten, welche Experten der Kommission vorlegten, wurden im Endbericht
unverständlicherweise nicht berücksichtigt. Dies ist in folgendem Beispiel der Fall:
Ein von der
Kommission selbst in Auftrag gegebenes neues
Gutachten von Schöll kommt zu einer - im Vergleich mit der im
Zwischenbericht zitierten älteren Untersuchung - veränderten Einschätzung.
"Auch die
Vereinigungskirche scheint sich von einer Agitationsreligion ohne
inhaltlichen und sozialen Problembezug und ohne Geselligkeitspotential
(Schöll 1992, S. 245 und Zwischenbericht der Enquete-Kommission 1997,
S. 99) gewandelt zu haben zu einer Kirche, die Konzepte der Gemeindebildung
mit Merkmalen der individuellen Entwicklung, der Kontinuität und Vernetzung
unterstützt." (Endbericht, S. 225)
Diese neue
Einschätzung wird im Endbericht im Abschnitt über die Vereinigungskirche
überhaupt nicht berücksichtigt. Es findet sich nicht einmal ein
Verweis darauf, daß dieses Gutachten wenigstens als Anhang dem Endbericht
angefügt ist.
Die Vereinigungskirche
hat sich durch die aktive Teilnahme an der Anhörung, durch Beantwortung
aller Fragen und durch Stellungnahmen dialogbereit gezeigt. Leider
ist dies von der Enquete-Kommission kaum gewürdigt worden. Diese Offenheit
und Dialogbereitschaft der Vereinigungskirche hätte für die Kommission
ein weiterer Beleg dafür sein müssen, daß sich kein besonderes "Gefahrenpotential"
für Kinder und Jugendliche in der Vereinigungskirche findet, wie es
der Endbericht unbewiesenermaßen behauptet. Diese Erkenntnis findet
sich an anderer Stelle des Endberichts auf S. 232: "Je offener
und durchlässiger neue religiöse Milieus für Umwelterfahrungen sind,
je kommunikativer der Austausch mit Außenstehenden ist, um so geringer
ist ein derartiges Gefahrenpotential zu veranschlagen."
Die Kinder und
Jugendlichen in der Vereinigungskirche sind nicht mehr und nicht weniger
"gefährdet" als andere Kinder und Jugendliche in der Gesellschaft
(s.o., 2. Kinder und Jugendliche in der Vereinigungskirche). Das ernsthafte
Bemühen, den Kindern ein liebevolles Elternhaus zu bieten, kann Eltern
in der Vereinigungskirche nicht abgesprochen werden. Kinder und Jugendliche
erhalten zahlreiche Gelegenheiten, sich mit der biblischen und jüdisch-christlichen
Tradition auseinanderzusetzen, andere Kulturen und Religionen kennenzulernen
und zu einem eigenen Gottesverhältnis zu gelangen.
Während der
Endbericht zu aufklärenden Erkenntnissen kommt (s.o., Punkte 1.-3.)
und in weiten Teilen eine sachlichere Sprache spricht, als es bisher
bei diesem Thema üblich war, vermissen wir genau dies im Abschnitt
über die Vereinigungskirche (S.
84) völlig. Hier hat die Enquete-Kommission bedauerlicherweise eine
Chance verpaßt, ein Signal für ein konstruktives Miteinander zu setzen.
Es ist zu hoffen, daß die gesellschaftliche Diskussion nicht diesem
schlechten Beispiel folgen, sondern sich in Zukunft auf einem höheren,
sachlicheren und vor allem fairen Niveau bewegen wird.