Stellungnahme der Vereinigungskirche e.V.
zum Zwischenbericht der Enquete-Kommission

Juli 1997

Wie bereits früher durch die Beantwortung Ihrer Fragen und der Teilnahme bei der Anhörung durch die Enquete-Kommission geschehen, möchten wir uns auch zu dem vorliegenden Zwischenbericht im Sinne der Fortsetzung des bisherigen Dialogs äußern.

Begrüßenswert ist es, wenn die Vorsitzende der Enquete-Kommission, Frau Ortrun Schätzle, in ihrem Vorwort zu dem Zwischenbericht die Wichtigkeit von gesicherten Informationen und sorgfältigem und wissenschaftlich fundiertem Nachdenken erwähnt und eine pauschale Stigmatisierung alternativer Religiosität ablehnt. Zuzustimmen ist ihr, wenn sie von einer notwendig gewordenen Diskussion schreibt und auch ihrer Hoffnung auf eine Versachlichung dieser Diskussion Ausdruck verleiht. Allerdings bestehen begründete Befürchtungen, daß der Zwischenbericht in seinen Ausführungen zur Vereinigungskirche (S. 98 / 99) - und nur darauf soll hier eingegangen werden - eben diese Hoffnung enttäuscht.

Dies gilt insbesonders für die Bereiche
1.    Ehe und Familie in der Vk und
2.    Kinder und Jugendliche in der Vk.

 1.           Zum Verständnis von Ehe und Familie

Nach Auffassung der Vereinigungskirche ist die Ehe keine menschliche Erfindung und kein Ergebnis sozialer Notwendigkeit, sondern sie ist in Gott begründet. Gott ist vor allem ein Gott des Herzens, ein Gott elterlicher Liebe. Menschen sind, wie es in der Bibel heißt, als Mann und Frau zum Ebenbild Gottes geschaffen und tragen somit das göttliche Potential an Liebesfähigkeit in sich, das in der liebenden Beziehung von Mann und Frau und in der vollendeten Elternschaft die höchste Ausdrucksform findet.

Die Familie ist die Schule der Liebe. In ihr lernen wir die verschiedenen Erscheinungsformen der Liebe: als Kind, Bruder, Schwester, Mann oder Frau und als Eltern. Von unserem Lernerfolg in dieser Schule hängt es weitgehend ab, wie wir unsere Rolle als Bürger in unserer Gesellschaft und Nation erfüllen und welche Beziehungen wir zu den anderen Mitgliedern der Weltfamilie aufbauen.

Die Familie stellt somit die Keimzelle der vollkommenen, von Gott gewollten Welt dar. Wahre Liebe kann am besten in einer Familie realisiert werden, in der Gottes Liebe wohnt. Daher sollen die Beziehungen von Mann und Frau, Eltern und Kindern sowie Brüdern und Schwestern von erfüllter und dauerhafter Liebe geprägt sein.

 

Nach der Vereinigungstheologie hat sich der Mensch durch den Sündenfall von Gott und Seiner Liebe getrennt. Diese Trennung hat sich bis heute leidvoll ausgewirkt.

Rev. Moon und seine Frau Hak Ja Han sehen ihre Berufung darin, den Fehler der Ureltern der Menschheit wiedergutzumachen und als Begründer der „wahren Familie“, d. h. der auf Gott ausgerichteten Familie, zu dienen und ein Beispiel für „wahre Elternschaft“ zu zeigen.

Die Kinder der von Rev. und Frau Moon „gesegneten Paare“ werden „gesegnete Kinder“ des „gesegneten Paares“ und nicht etwa „wahre Kinder“ der „Wahren Eltern“ genannt. Sie gelten nicht als Kinder des Ehepaares Moon. Die Vereinigungstheologie geht davon aus, daß die natürliche Familie einer „wahren“, d. h. auf Gott ausgerichteten Familie entsprechen sollte. Es geht also um ein Sakrament, das die natürliche Familie heiligt und ihr somit Stärke und Stabilität verleiht.

Viele Mitglieder der Vereinigungskirche betrachten es als ein großes Privileg, einen Vorschlag für ihren Partner von Rev. Moon zu erhalten (sogenanntes „Matching“). Es steht jedem frei, diesen Vorschlag anzunehmen oder abzulehnen. Durch die Segnung begibt sich jedes Paar auf seinen eigenen Weg, selbst zu wahren Eltern zu werden und wahre Familien zu errichten, die Gottes Ideal wahrer Liebe in der Familie manifestieren.

Bei der Segnung im Jahre 1992 nahmen zum ersten Mal auch Angehörige anderer Religionen teil. Im August 1995 - Segnung von 360.000 Paare - erhielten nur noch ca. 10% der Paare von Rev. Moon einen Partnervorschlag. Etwa 90% der Teilnehmer waren bereits verheiratete Paare, darunter ein Großteil aus anderen Religionen. Es wurde und wird nicht erwartet, daß sie ihr Religionsbekenntnis wechseln.

Seit Anfang 1997 werden Geistliche anderer Kirchen und Religionen eingeladen, zuerst selbst an einer Segnung teilzunehmen. Anschließend können sie in ihren Gemeinden Segnungszeremonien durchführen. Von dieser Möglichkeit ist inzwischen bereits in zahlreichen Fällen Gebrauch gemacht worden.

 

Es ist unrichtig und irreführend, wenn auf S. 98 des Zwischenberichts behauptet wird, die Paare würden durch die Segnung „adoptiert“ und zu Kindern der „wahren Familie“. Der Begriff „Adoption“ wird in der Vereinigungstheologie in diesem Zusammenhang nicht gebraucht und ist nicht geeignet, das Sakrament der Segnung zu erklären (s.o.). Die Erlösung zu einer Kindschaft Gottes, nicht - wie fälschlich angeführt - zu einer Kindschaft Moons, bringt eine hohe Eigenverantwortlichkeit mit sich bringt, nicht eine Zurückversetzung „in den Status von Kindern“. Von einer auch nur tendenziellen Entwertung der Eltern als „Identifikationsfiguren“ kann daher überhaupt nicht die Rede sein. Das Gegenteil ist der Fall.

 

Irreführend ist der Zwischenbericht auch durch die Wahl einiger Begriffe: Die termini „Totengeister“, „Zwischenreich“ (mit Sammelanmerkung 11 ohne jegliche Seitenangabe) und „Eva-satanische Blutslinie“ sind z.B. in der Vk völlig ungebräuchlich und daher zur Beschreibung von Positionen der Vk unbrauchbar. Aus den Belegstellen geht nicht hervor, woher die Autoren diese Begriffe entnommen haben. Der Ausdruck „sündenlose Kinder“ muß erläutert werden: korrekterweise müßte es heißen, daß die Kinder ohne „ursprüngliche Sünde“ geboren werden.

Wie schon in der Broschüre des BMFSFJ, S. 34, so wird auch im Zwischenbericht „ eine Art Endkampf“ oder „Dritte(r) Weltkrieg“ beschworen. Wer sich die kleine Mühe macht und in den Göttlichen Prinzipien auf S. 529f nachliest, wird feststellen, daß es sich bei den betreffenden Aussagen um Teile einer Geschichtsinterpretation handelt. Bereits in den 50er Jahren hat die Vk davor gewarnt, daß es zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen dem kommunistischen Block und der freien Welt kommen könnte, wenn der Konflikt nicht auf geistigem Gebiet gelöst würde. Daraus abzuleiten, das Ziel der Vk sei „die umfassende Durchsetzung dieses Himmlischen Königreiches auf Erden durch eine Art Endkampf oder ´Dritten Weltkrieg`“, ist völlig absurd.

In diesem Zusammenhang wurde in der Broschüre des BMFSFJ, S.43, sogar behauptet, die der Vk nahestehende Vereinigung CAUSA organisiere „den Söldnereinsatz“. Diesbezüglich entschied das Verwaltungsgericht Köln: „Durch diesen zweifellos diskriminierenden Vorwurf wird die Ehre des Antragstellers verletzt...“ (Az: 19 L 378/97, S. 6). Somit lautete der Beschluß: „Bis zur erstinstanzlichen Entscheidung des Klageverfahrens ist ihr deshalb vorläufig zu untersagen, eine solche Behauptung - in welcher Form auch immer - weiter selbst aufzustellen und öffentlich zu verbreiten oder solches durch Organe bzw. nachgeordnete Behörden geschehen zu lassen“ (ebd., S. 8).

 

2.         Kinder und Jugendliche in der Vk

Bei der Beantwortung des ersten Fragenkatalogs vom 5. Januar 1997 wurde ausgeführt, daß für die Vk Erziehung und Bildung höchste Bedeutung für die Entwicklung des Menschen haben. Neben der Vermittlung von intellektuellem Wissen wird dabei auf eine ausgewogene emotionale und seelisch-geistige Entwicklung Wert gelegt werden. Die Verantwortung dafür liegt in der Hand der Eltern. Insofern kann von einer „Entwertung der Eltern als eigenveranwortliche Identifaktionsfiguren für die Kinder“ - wie fälschlich im Zwischenbericht S. 98 behauptet wird - keine Rede sein. Mehr noch: Die Kinder der Mitglieder der Vk sind im Erziehungssystem der Gesellschaft integriert. Sie gehen in kirchliche, kommunale oder private Kindergärten, sie nehmen in der Schule meist am katholischen oder evangelischen Religionsunterricht teil und beteiligen sich an den gesellschaftlichen Ereignissen, wie Geburtstage, Schulfeste etc. Die Entscheidung über die Teilnahme liegt allein bei den Eltern und Kindern, bzw. bei den Jugendlichen. Auch der Vorwurf der „Orientierung auf eine unumstößliche Autorität“ (S 98) entbehrt jeglicher Grundlage.

Bereits im ersten Abschnitt wurde erläutert, welch zentraler Bedeutung der Familie und der „unauswechselbaren, emotionellen Eltern-Kind-Beziehung“ zukommt. Dies zeigt sich auch darin, daß die mit der Taufe vergleichbare Acht-Tage-Zeremonie nur durch die jeweiligen Eltern erfolgen kann - nicht durch einen Kirchenleiter und auch nicht durch Rev. Moon. In Zukunft werden die Kinder durch die eigenen Eltern die Segnung empfangen.

Es ist einer der zentralen Grundgedanken der Lehre der Vk, daß der Mensch von Gott mit drei großen Segen ausgestattet wurde (Gen 1,28), wobei der zweite den Auftrag meint, eine auf Gott ausgerichtete Familie aufzubauen. In dem Buch „Die Segnung und das Ideal der Familie“ betont dies Rev. Moon: „Der Himmel beginnt nicht mit der Kirche, sondern mit der Familie“. An anderer Stelle heißt es: „Die gegenseitige Liebe allein berechtigt ein Ehepaar nicht dazu, in das Reich Gottes einzugehen. Erst wenn dieses Paar zu seinen Eltern und Kindern eine so tiefe Liebe hegt wie zu Gott, hat es das Recht, das Reich Gottes zu betreten“ (Ein Prophet spricht heute, Die Worte des Rev. San Myung Mun, Frankfurt 1976, S. 69).

 

 3.         Ein Wort zu den Quellen

Die Enquete-Kommission beruft sich in ihren Ausführungen insbesondere auf die Publikation des Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend „Die Mun-Bewegung“, das „Handbuch Religiöse Gemeinschaften“, sowie Publikationen von Kurt-Helmuth Eimuth und Albrecht Schöll.

1.    Bezüglich der Broschüre des BMFSFJ muß erneut daraufhingewiesen werden, daß sie eine Vielzahl falscher Behauptungen, grober Unwahrheiten und unzulässiger Wertungen enthält. In ihrer Stellungnahme mit dem Titel „Staatliche Diskriminierung einer religiösen Minderheit“ weist die Vereinigungskirche e.V. nach, daß jene Broschüre selbst die elementarsten Regeln wissenschaftlichen Arbeitens grob verletzt. Inzwischen wurde die Verbreitung der Broschüre in zwei gerichtlichen Eilverfahren untersagt. Die Hauptverfahren sind noch nicht abgeschlossen. Die Irreführungen, die durch die Broschüre verursacht worden sind und weiterhin verursacht werden, sind mehr als bedenklich. Der menschliche Schaden, den sie verursacht, ist erheblich. Mit dem Stempel eines Bundesministeriums versehen, verstärkt und zementiert sie bereits bestehende Vorurteile und produziert neue.

2.    Das Handbuch Religiöse Gemeinschaften widerspricht in wesentlichen Aussagen völlig dem Glaubens- und Selbstverständnis der Mitglieder der Vereinigungskirche. Die Enquete-Kommission beruft sich in ihren Aussagen zum Gelöbnis auf dieses Handbuch ohne zu bemerken, daß der dort abgedruckte Text bereits seit dem 1. Mai 1994 durch das neue „Familiengelöbnis“ ersetzt worden ist. Sie finden es als Anlage 6 in der oben erwähnten Stellungnahme, die Ihnen bereits früher zugeschickt wurde.

3.    Das Buch von K.-H. Eimuth macht einen Versuch, sich mit dem relativ neuen Thema „Kinder in Neuen Religiösen Bewegungen“ zu beschäftigen. Dabei wird auf gewisse diffamierende Begriffe früherer Abhandlungen weitgehend verzichtet. Es werden auch neuere Originalquellen, wie das neue Familiengelöbnis, verarbeitet. Da der Autor sich jedoch auf keinerlei empirische Daten stützen kann, blieb ihm als Leiter der Evangelischen Arbeitsstelle für Religions- und Weltanschauungsfragen in Frankfurt nichts anderes übrig, als seine persönlichen Schlüsse zu ziehen und Vermutungen anzustellen. Diese haben jedoch mit der Realität wenig zu tun. Tatsächlich befaßt sich - trotz des reißerischen Titels „Die Sekten-Kinder“ - nur ein verschwindend geringer Teil des Kapitels über die Vk mit der religiösen Erziehung und dem Lebensumfeld der Kinder und Jugendlichen.

4.    Das Buch von Schöll beruht offenbar vor allem auf einem Interview aus dem Jahre 1984 mit vier deutschen bzw. österreichischen Mitgliedern der Vereinigungskirche im Alter von 25 - 29 Jahren. Schöll stützt sich also auf eine äußerst schmale - inzwischen 13 Jahre alte - empirische Erhebung, die keinesfalls als „gesicherte Informationen der neuen Entwicklung“ bezeichnet werden kann. Bereits bei Erscheinen des Buches im Jahre 1992 war im übrigen auch anhand der tatsächlichen Entwicklung der Vk in Deutschland klar erkennbar, daß der Autor in entscheidenden Punkten völlig daneben liegt. Dazu einige Beispiele:

- S. 191: Es wird behauptet, Gemeindebildung würde systematisch verhindert und unterdrückt (ähnlich S. 202): Tatsache ist, daß es hier in Deutschland fast keine Wohngemeinschaften mehr gibt. Die Vk besteht schon seit vielen Jahren aus Familien und Gemeinden.

- S. 250f: Die Mitglieder würden ihren erlernten Beruf nicht ausüben bzw. erst gar keine Berufsausbildung machen.Sie würden in dem Status eines unmündigen Kindes gehalten. Tatsache ist, daß die Mitglieder der Vk als Arbeitnehmer, Selbständige, Künstler, Studenten etc. in ihrem sozialen Umfeld verankert sind. Die gegenwärtig stärkste demographische Gruppe sind Männer und Frauen im Alter von 30-45 Jahren, die zu mehr als 80% verheiratet sind, Kinder haben und selbstverständlich einen eigenen Haushalt führen.

Schölls Beobachtungen sind lediglich eine Momentaufnahme der speziellen Situation einiger Mitglieder, die bereits damals nicht typisch für die gesamte Vk war. Festzuhalten ist, daß er Familien und Kinder von Vk-Mitgliedern nicht erlebt hat. Es ist nicht verwunderlich, daß seine Vermutungen von der Realität meilenweit entfernt sind. Für fundierte Aussagen über die Situation von Familien und Kindern in der Vk kann diese Publikation nicht herangezogen werden.

Ähnliche Vorwürfe wie die von Schöll wurden auch in der Broschüre des BMFSFJ erhoben. Auf S. 22 hieß es dort: „Die gruppenspezifischen Normen lassen keinen Freiraum für individuelle Entfaltung. Durch die ständige Nähe anderer Mitglieder wird ein Abweichen unmöglich oder die Bestrafung der Gruppe erfolgt auf dem Fuß.“ Das Verwaltungsgericht Köln sah dies als eine unbewiesene, ehrenrührige Behauptung an und kam zu folgendem Beschluß: „Der Antragsgegnerin ist es deshalb bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren zu untersagen, die Broschüre ´Die Mun-Bewegung` in der vorgelegten oder in welcher Form auch immer, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen, wenn nicht die oben angegebenen auf Seite 22 enthaltenen Äußerungen (Buchstabe n) unkenntlich gemacht sind“ (Az: 10 L 379/97, S. 17f).

 

Schlußwort

Es ist ein Widerspruch, wenn die Enquete-Kommission einerseits selbst zugibt „daß hier empirische Analysen realer pädagogischer Alltagspraxis erforderlich wären, die größtenteils fehlen“ (S. 98). Andererseits wird einige Zeilen weiter phantasievoll über problematische „Einstellungen gegenüber Kindern und pädagogischen Haltungen ... in der Vereinigungskirche“ geschrieben. Die als Beleg angeführten Quellen - Handbuch, Broschüre des BMFSFJ und A.Schöll - gehen auf dieses Thema überhaupt nicht ein. Bei Eimuth wurden keinerlei empirische Daten erhoben. Bei Kehrer (1981) war dieses Thema noch nicht aktuell. Er wird zwar angeführt, aber inhaltlich im Zwischenbericht praktisch nicht verwendet.

 

Abschließend möchten wir die Hoffnung aussprechen, daß die Enquete-Kommission bei ihrer weiteren Arbeit den bisher von uns geleisteten Beiträge (Beantwortung der Fragenkataloge, Teilnahme an der Anhörung, Zusendung von Informationsmaterial und das vorliegende Schreiben) mehr als es bisher der Fall war Beachtung schenkt.