Frankfurter Allgemeine Zeitung – Rhein-Main-Zeitung

7. August 2000

 

Für Enthaltsamkeit und Treue

450 Jugendliche propagieren reine Liebesbeziehungen


Wie mögen die Jugendlichen wohl aussehen? Bestimmt tragen die Mädchen karierte Faltenröcke und Kniestrümpfe, kommen die Jungen in Knickerbockern daher. Doch weit und breit ist nichts dergleichen zu sehen. Vor der Bühne auf dem Opernplatz tummeln sich junge Menschen, de­ren Kleidung sich nicht von der anderer Gleichaltriger unterscheidet. Viele Jeans sind dabei, schlabberige und enge, jede Menge Turnschuhe und Sandalen und natürlich T-Shirts. Die freilich verraten mehr: „Pure Love" ist da zu lesen. Die nach Schätzungen der Polizei rund 450 Jugendlichen, die am Samstag mittag von der Konstablerwache zur Alten Oper ziehen, treten für Enthaltsamkeit vor und Treue in der Ehe ein.

Die „Pure Love Alliance" ist eigenen Angaben zufolge ein seit 1997 bestehen­der Zusammenschluß meist christlicher Jugendorganisationen und stammt aus den Vereinigten Staaten. Jeden Sommer reisen die jungen Leute durch verschiedene Länder, um Abstinenz und reine Liebesbe­ziehungen zu propagieren. Erstmals sind sie jetzt nach Europa gekommen, wo sie in London, Birmingham, Paris und eben Frankfurt Station machen. Jetzt wollen sie sich auch in Deutschland etablieren.

Einige Gruppierungen hätten schon Interesse gezeigt. Doch deren Namen wolle er nicht preisgeben, weil noch niemand fest zugesagt habe, erzählt Geros Kunkel, Mitorganisator der Veranstaltung. Er gehört der Vereinigung seit November 1997 an. In dieser habe er für sich genau das Passende gefunden, er habe schon immer so gelebt. Die intime Liebe, gibt sich der Vierundzwanzigjährige überzeugt, sollte man sich für eine dauerhafte, feste Partnerschaft aufheben. Es gehe darum, für immer zusammenzuleben. Das Papier für die Ehe ist für Kunkel dabei nicht das Maß seiner Wertung.

Der Achtundvierzigjährige am Stand mit den Faltblättern über die Organisation hatte nach eigenem Bekunden niemals ein Mädchen vor seiner Ehe. einer sehr glücklichen, wie er hervorhebt. Nicht einmal geknutscht habe er. Doch scheint es den jungen Menschen nicht immer ganz leicht zu fallen, der Versuchung zu widerstehen. Schließlich sind viele hübsche Mädchen und attraktive Jungen dabei. „Es ist manchmal schon schwer", gesteht eine Vierzehnjährige. Sie sei Mitglied der „Vereinigungskirche" und glaube deshalb an Treue. Eine andere junge Frau meint, man verliebe sich oft. Doch lohne sich sexuelle Enthaltsamkeit. Eine Vierundzwanzigjährige hat offenbar schlechte Erfah­rungen mit Männern gemacht, bevor sie sich für die „Pure Love Alliance" entschloß. Die platonische Liebe habe ihr gefehlt und das Vertrauen in den Partner. „Ich hatte immer Angst, daß er mich verläßt."

„Ich bin 16 Jahre alt und hatte noch nie eine Freundin", sagt ein junger Mann mit dem Zopf, der auf der Bühne das Mikrophon ergreift und in die Menge ruft, das Ergebnis von frühem Sex seien kaputte Familien und hohe Scheidungsraten. „Wir sind hier, um die Gesellschaft zu verändern." Passanten reagieren auf die Appel­le mit Achselzucken. „Fragen Sie doch je­manden anderen", kommentiert ein jun­ger Mann das kategorische „Nein" zum Sex ohne feste Bindung. Eine Zweiundzwanzigjährige auf den Treppen der Alten Oper stellt fest: „Für mich ist das nix." Aber es sei in Ordnung, wenn andere das anders sähen. Und während mancher mit seinen Einkaufstüten durch die Stadt eilt und die Schilder mit Schriftzügen wie „Sex ist Ehesache" oder „rein und glücklich" kaum beachtet, nimmt's eine ältere Dame mit Humor. „Mal was anderes", sagt sie und lacht.    

BRIGITTE ROTH